Ärzte, wie wir sie uns wünschen

Beitrag als Podcast

Schubladen machen das Leben bekanntlich leichter. So bedeutet für mich etwa ein Besuch beim Orthopäden, dass man fünf Minuten mit dem Arzt spricht, anschließend geröntgt wird und dann die Empfehlung für eine Operation bekommt. Den Termin möge man bitte mit der Assistentin am Empfang ausmachen. Alles nur ein Vorurteil? Nun ja, zumindest alles schon erlebt.

Meine gesundheitliche Schwachstelle ist der Bewegungsapparat. Deshalb kann ich auf umfangreiche orthopädische Erfahrungen zurückblicken. Die waren zwar nicht alle schlecht, aber doch überwiegend prototypisch – siehe oben. Auffallend ist dabei, dass vor allem jene Fachärzte zu Funktionsdiagnostik und Operation neigen, die ein Röntgengerät ihr Eigen nennen und Belegbetten haben. Und man fragt sich, ob sich an dieser Neigung eigentlich nie etwas ändert.

Vor längerer Zeit besuchte ich regelmäßig die nationalen Schmerzkongresse. Fast schon gebetsmühlenartig predigten dort mehrere Referenten Jahr um Jahr von einem anderen Umgang mit skelettbezogenen Beschwerden. Die Devise von den vier „A“ machte die Runde. Sie stehen für Anamnese, Ausziehen, Anschauen und Anfassen. Laut dem Schmerztherapeuten Dr. Wolfgang Bartel aus Halberstadt lassen sich damit beispielsweise 70 bis 80 Prozent aller Beschwerden im Rückenbereich zuverlässig einordnen.

Einer ähnlichen Herangehensweise bin ich über Jahre hinweg nicht begegnet. Bis ich vor kurzem die Disziplin wechselte und einen Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin aufsuchte. Und siehe da, da waren sie, die vier „A“.

Der Arzt erhob eine Anamnese, prüfte den gesamten Körperbau, achtete auf Stärke, Verspannungen und Verkürzungen der Muskulatur und ließ mich etliche Übungen machen. Seine Untersuchungsinstrumente waren in erster Linie die Augen und die Hände, zuletzt auch der Ultraschall. Anschließend besprach er mit mir mehrere Behandlungsoptionen, darunter auch chirurgische. Es bedarf an dieser Stelle vermutlich keiner Erwähnung mehr, dass er eher eine konservative Strategie bevorzugte.

Ob das nun der Königsweg für alle orthopädischen Probleme ist, sei dahingestellt. In vielen Fällen wäre den Patienten und dem Gesundheitssystem aber sicherlich gedient, wenn Ärzte einen Gesinnungswandel vollzögen. Das hieße dann: sich mehr auf die eigene Wahrnehmung als auf eine aufwändige apparative Diagnostik zu verlassen und sich mehr an der Lebensqualität als am technisch Machbaren zu orientieren. Als Patient hätte man dann auch eher das Gefühl, dass es um einen selbst geht und nicht um die Geräte- und Bettenauslastung.


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