Großbritannien schlägt USA – Die britische Prescription Medicines Code of Practice Authority (PMCPA) hat nun vor der FDA eine Stellungnahme zur digitalen Kommunikation veröffentlicht. Sie soll Pharmaunternehmen helfen, die das Web 2.0 für die Information über verschreibungspflichtige Präparate nutzen möchten.
Die Pharmaindustrie und social media, das ist ein bisschen wie Teenager und Sex. Man redet drüber, würde auch gerne mitmischen, traut sich aber nicht so recht. Aber wo die Teenager unter sachkundiger Anleitung in allen möglichen Medien ihre ersten Gehversuche unternehmen können, tappt die Pharmaindustrie im Dunkeln. Bislang fehlt ihr eine konkrete Leitlinie, wie die Kommunikation auf Twitter, Facebook Co. aussehen darf. Und so erhält die Öffentlichkeit auf diesen Plattformen bislang keine/kaum Informationen über ethische Produkte.
Unabhängig davon, ob man das gut findet oder nicht – eine gewisse Rechtssicherheit wäre wünschenswert. In den USA hatte dazu die FDA mehrfach eine Vorlage angekündigt, die Veröffentlichung aber immer wieder verschoben. Wahrscheinlich wartet man, was der nächste große Wurf nach Web 2.0 wird. Auch hierzulande tut sich nichts. Zumindest verneinte der BPI noch vor einem Vierteljahr irgendwelche Aktivitäten. Nun hat sich die britische Prescription Medicines Code of Practice Authority (PMCPA) vorgewagt und ein Papier vorgelegt.
Die PMCPA ist eine Art verlängerter Arm der britischen Pharmaindustrie und überwacht die Einhaltung eines Code of Practice. Er bezieht sich auf die Promotion verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei Ärzten und auf die Bereitstellung von Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Patienten. Dieser Code ist auch die Grundlage für die Orientierungshilfe zur digitalen Kommunikation. Hier nun ein paar Stellungnahmen:
Grundsätzlich können Pharmaunternehmen social media in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit nutzen. Allerdings müssen die zutreffenden Bestimmungen des Codes berücksichtigt werden.
Wollte ein Unternehmen Twitter für die Promotion eines verschreibungspflichtigen Medikaments nutzen, müsste es sicherstellen, dass
Dies hält die Behörde angesichts des Zeichenlimits bei Twitter für kaum durchführbar. Bemerkenswert: Ein Hinweis auf die Publikation einer Studie würde vermutlich als Promotion angesehen werden.
Hier stellt die Behörde die spannende Frage in den Raum, ob Unternehmen Einträge auf Wikipedia korrigieren können. Die Behörde sieht darin eine Art Faß ohne Boden. Denn bei einem Eingreifen müsste ein Unternehmen sicherstellen, dass ihre Korrekturen umfassend und ausgewogen sind, was auch Stellungnahmen zu Produkten der Mitbewerber einschließen würde.
In den Augen der Behörde wäre es fragwürdig, wenn eine Unternehmen versuchte, seine Produktsite so zu optimieren, dass sie auch bei allgemeineren Suchanfragen (also nicht produktspezifischen) gut gelistet würde. Die Anpassungen sollten dem Inhalt der Site entsprechen und keinen werblichen Charakter haben.
Betreibt oder sponsert ein Unternehmen ein Blog zu einem Medikament oder einem Therapiegebiet, müsste es dafür sorgen, dass alle Informationen den Bestimmungen des Codes entsprechen und die Sponsorenschaft offenlegen. So wäre beispielsweise ein Eintrag über einen Off-label-Gebrauch nicht akzeptabel. Die Behörde rät Unternehmen, Blogs nicht zu betreiben oder zu unterstützen, wenn zu erwarten ist, dass dort Äußerungen über Medikamente und deren Anwendung gepostet werden.
Sind die Briten nun schlauer? Vermutlich nicht sehr. Dass der Code auch auf die neuen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation anzuwenden ist, war zu erwarten. Aber es gibt ja auch Graubereiche, und die wurden in dieser Vorlage längst nicht erschöpfend behandelt.
Was bedeutet beispielsweise das Verdikt zu Twitter, wenn ein Unternehmen Tweets zu einem von ihm gesponserten Satellitensymposium schalten möchte? Und in dem Statement zur Suchmaschinenoptimierung verweist die Behörde immer wieder auf Metadaten. Für das Ranking – zumindest auf Google – spielen aber andere Strategien eine Rolle. Die Reihe offener Fragen ließe sich fortsetzen.
Pharmafirmen, die über social media etc. kommunizieren, werden sich also – je nach Wagemut – noch für längere Zeit in einem Graubereich bewegen. Vielleicht wäre es ja eine gute Idee, eine Abgrenzung zwischen erlaubt und nicht erlaubt anhand von Best- und Worst-practice-Beispielen zu treffen.
Guidance on digital communications der PMCPA
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